September 2022

Freitag, 30. September

„Gott schuf den Schatten, um das Licht hervorzuheben“. (Johannes Paul XXIII).
Heute geht es um die „Wundersame Geschichte von Peter Schlemihl“ von Adalbert von Chamisso (* 1781 - + 1838), die er im Sommer 1813 während der französischen Befreiungskriege gegen Napoleon schrieb. 
Peter Schlemihl, die Hauptfigur, verkauft für ein Geldsackerl, das nie versiegt, seinen Schatten. Als er merkt, dass die Leute um ihn herum Angst vor ihm bekommen, weil er keinen Schatten hat, und er deshalb auch keine Frau findet, die ihn heiraten würde, bereut er seine Entscheidung. Er versucht, den Schatten zurückzukaufen. Dafür müsste er jedoch seine Seele hergeben. Endlich versteht er, dass er sich mit dem Teufel eingelassen hat und wirft das Geldsackerl in den Abgrund. Von seinem letzten Geld kauft er sich alte Stiefel, die sich als Siebenmeilenstiefel herausstellen, und lebt bis ans Lebensende einsam als Naturforscher.
Verführt oder versucht werden wir alle einmal – das ist menschlich. Selbst Jesus ist es so ergangen. Dreimal wird er vom Teufel in der Wüste versucht (Matthäus 4,1-12). Jedesmal wehrt er ab und sagt am Ende: „Weg mit dir Satan. Denn in der Schrift steht: den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.“ Da verschwand der Teufel und die Engel umgaben ihn und dienten ihm.
Auch wir sollten lieber von „hohen Einsätzen“ die Finger lassen. Wir sind so, wie wir von Gott geschaffen sind, alle auf unsere Art einzigartige und allzumenschliche, verletzliche und auch angreifbare Geschöpfe mit Licht und Schatten – da braucht es keine übermenschlichen Deals. 

Cornelia Bästlein


Mittwoch, 28. September

Ich komme gerade von einer erfüllenden Chorprobe. Sie hat drei Stunden gedauert, war anstrengend und ich hatte das Gefühl, wir hatten einen sehr schönen gemeinsamen Klang gefunden. Danach war ich glücklich.

Heute Nachmittag haben wir beim Seniorennachmittag gesungen, am Sonntag singen im Gottesdienst zu Erntedank der Kirchenchor und der Gospelchor gemeinsam.
Am Montag ist in der Rogatekirche das Offene Singen und natürlich singen wir im Gottesdienst, beim Taizégebet am Mittwoch und bei vielen anderen Gelegenheiten.

In einigen Städten findet auch ein "Offenes Singen" auf Plätzen statt, das regen Zuspruch findet (z.B. Augsburg singt: https://www.musik-einer-welt.de/augsburg-singt/).
Dabei geht es einfach darum, gemeinsam zu singen und sich daran zu freuen.

Und natürlich ist es auch schön, alleine für sich zu singen.

Singen ist etwas Wunderbares,
ein großes Geschenk,
für das ich sehr dankbar bin.

Felix Breitling


Montag, 26. September

Die Fischer

Zwei Brüder waren Fischer und hatten nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Einer der Brüder war verheiratet und hatte drei Kinder, der andere war alleinstehend. 
Jeden Morgen fuhren sie auf den See hinaus, um ihre Netze auszuwerfen. Nicht immer waren die Netze voll, aber der Ertrag reichte aus, um den Winter und den zugefrorenen See überbrücken zu können. Jeden Fang teilten sie gleichmäßig auf und hängten dann die Fische in ihre Räucherkammern.
Eines Nachts wachte einer der Brüder auf und dachte: "Den ganzen Tag haben wir miteinander gearbeitet und jeder hat die gleiche Menge an Fischen bekommen. Ich habe Familie und eines Tages werden meine Kinder für mich sorgen. Aber mein Bruder hat im Alter niemand, der für ihn sorgt." So stand er leise auf und hängte einen Teil seines Fangs zu den Fischen seines Bruders und konnte daraufhin gut schlafen.
Eine Weile später wachte auch sein alleinstehender Bruder auf und dachte: "Wir haben brüderlich geteilt, was wir gefangen haben. Aber mein Bruder hat eine Frau und muss auch seine Kinder ernähren. Es ist ungerecht, wenn ich mir die gleiche Menge nehme." So stand er auf und hängte einen Teil seiner Fische in die Räucherkammer seines Bruders, legte sich wieder hin und schlief gut.
Am nächsten Morgen wunderten sich beide Männer, dass die Menge ihrer Fische gleich groß war, obwohl sie meinten, dem anderen etwas zugetragen zu haben.
(unbekannte Quelle, gesehen auf einer Tafel am Klosterweiherweg in Bernried) 

Mathias Brandstätter


Freitag, 23. September

ICH GLAUBE an die heilige Aufregung der Frauen,
die beim Aufgehen der Ostersonne
den weggewälzten Stein sahen.
Ich teile ihre Hoffnung auf eine gelingende Gemeinschaft
der Heiligen, einer Gemeinschaft befreiter Schwestern,
erlöster Brüder, wo keiner wie ein Stein
das Leben des anderen verschließt.

ICH GLAUBE an die wahre Unsterblichkeit Jesu,
in dessen Begegnungen die tiefe Kraft des Lebens der Menschen ganz nahe kam,
der unabhängig von der Macht und Meinung anderer alles Lebensverneinende anging,
sich einmischte und aufrieb,
bis ihm selbst das, Recht zu leben genommen wurde und er gemordet wurde unter dem Hass.
So reiht er sich in jene scheinbar endlose Kette Missachteter und Ermordeter, deren Leid
sich nicht in Worte fassen läßt.
Und dennoch können wir nicht schweigen,
sonst würden wir irr. 

ICH GLAUBE an das zarte zerbrechliche Geheimnis des Lebens, das wir Gott nennen,
verborgen wie ein Korn in der Erde,
das uns in allem fragend begegnet 
und unsere Liebe, unsere Angewiesenheit und Verantwortung wachruft.

Als «Glaubensbekenntnis» von einer Vikarin verlesen im Ostergottesdienst 1987 in Wittenberg,
damals DDR, veröffentlicht in: Ecumenical Décade 1988-1998. Churches in Solidarity with
Women. Prayers and poems, songs and stories. WCC-Publikationen (150, route de Ferney,
CH-1211Genf20)1988, S.45. 

Verena Übler


Mittwoch, 22. September

 

Ein "Meditationsplatz" im schwedischen Abisko-Nationalpark in Lappland.
"Die längste Reise ist die Reise nach innen" steht auf dem Stein.
Ein Satz des schwedischen UN-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld.

"Die längste Reise ist die Reise nach innen"

Diese Reise ist ein langer Weg, erfüllend, oft schmerzhaft,
liebevoll, ein Abenteuer, voller Rätsel, aber, das glaube ich, eine Reise mit einem Ziel.

Jetzt sehen wir nur ein unklares Bild
wie in einem trüben Spiegel;
dann aber stehen wir Gott gegenüber.
Jetzt kennen wir ihn nur unvollkommen;
dann aber werden wir ihn völlig kennen,
so wie er uns jetzt schon kennt.

Auch wenn alles einmal aufhört –
Glaube, Hoffnung und Liebe nicht.
Diese drei werden immer bleiben;
Doch am höchsten steht die Liebe.
(1 Kor 13, 12.13)

Felix Breitling


Montag, 19. September

Von der Kraft des Gehens

Detlef Wendler, ein Pfarrer im Ruhestand aus Krefeld, hat neulich im Sonntagsblatt über die Kraft des Gehens geschrieben. Diese Kraft entfaltet sich nicht im Erreichen eines bestimmten Zieles oder durch das Absolvieren von Höhenmetern oder Turbogeschwindigkeiten. Bei dieser Art von Gehen handelt es sich im Grunde um ganz gewöhnliche Spaziergänge. Bestenfalls im Wald oder übers Feld, aber eine Runde um den Block tut’s auch. Diese Art von Gehen lockert nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Und zwar von ganz allein. Ohne, dass man ein Ommm vor sich hin murmelt oder zwingt an nichts zu denken. Wendler schreibt: „Durch das Gehen gewinnt der Mensch auf symbolische Weise Distanz zu sich selbst und zu seinem Problem. Er geht, im übertragenen Sin, ein Stück weg von seinem gewohnten Lebens- und Denkmuster. Allein dadurch kann sich schon etwas klären.“ 
Das wusste auch schon Theodor Fontane:
„Luft und Bewegung sind die eigentlichen geheimen Sanitätsräte.“

Mehr darüber findet sich hier: Detlef Wendler, Vom Glück des Gehens, Claudius Verlag München

Verena Übler


Freitag, 16. September

Herbstzeit ist Trüffelzeit. Im Piemont werden jetzt wieder die Trüffelschweine losgeschickt, um mit ihrer feinen Nase die besten Stücke zu erschnüffeln. Sie haben einen guten Riecher oder ein feines Gespür, die Schweine.
Diesen Sinn brauchen wir Menschen zwar nicht, um Trüffelpilze in der Erde zu entdecken (wobei es eine lustige Vorstellung ist…), für unser Miteinander jedoch ist er auch immens wichtig. 
Ein feines Gespür für das rechte Wort zur passenden Zeit, oder für’s Schweigen, wenn das gerade angemessen ist. Den richtigen Riecher, um zu erkennen, was meine Mitmenschen und ich selbst brauchen. 
In manchen Gleichnissen zeigt sich Jesus mit so einem feinen Näschen, z.B. wenn er erklärt, dass der Sabbat für den Menschen gemacht ist (vgl. Lukas 6).
Die Trüffelschweine werden angelernt, und auch wir können unsere Nase schulen. Es lohnt sich!


Verena Übler

P.S. In Wirklichkeit sind es vor allem Trüffelhunde, die auf die „Jagd“ nach den Trüffeln gehen. Die Schweine tendieren nämlich dazu, die Trüffel nach dem Ausgraben auch gleich selbst aufzufressen. 


Mittwoch, 14. September

Vom Schriftsteller Khalil Gibran stammen folgende Worte: „Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch aber nicht von euch, und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken, denn sie haben ihre eigenen Gedanken.“
An diese Worte musste ich heute am Schulanfang denken. Wie oft versuchen wir Kindern unsere Gedanken zu geben, sie nach unseren Vorstellungen zu formen, versuchen, sie in bestimmte Bahnen zu lenken.
Mit jedem neuen Schuljahr merke ich immer wieder, wie neugierig Kinder sind, wie sie ihre eigenen Gedanken in sich tragen, wieviel Kreativität sie in sich haben. Ich glaube, sie brauchen Erwachsene, die ihnen vor allem zuhören, wirklich zuhören, die wirklich interessiert sind an ihren Wünschen und Ideen, die sich Zeit nehmen, um in Ruhe ihre Bilder anzuschauen, die sie gemalt haben. Die sie Fehler machen lassen und sie in ihrem Lernen, ihrem Entdecken der Welt und in ihrer Neugier unterstützen. Erwachsene, die ihnen Wurzeln und Flügel geben, ihnen Freiräume für ihre Phantasie und das Spielen lassen und mitspielen. Erwachsene, die nicht vergessen, dass sie selber Kinder waren und die sich daran erinnern, wie es sich anfühlt, Kind zu sein.

Felix Breitling


Freitag, 9. September

Vor ein paar Jahren habe ich mir auf einer Reise einen Staubwedel aus Straußenfedern gekauft. Ich mag es, wenn ich damit über empfindliche Gegenstände wedle und diese dann wieder richtig schön sauber, gepflegt und glänzend aussehen. Manche behaupten zwar, man würde den Staub damit nur hin und her bewegen, aber ich finde, er erfüllt durchaus seinen Zweck.
Von Hermann Bezzel, der 1891 zum Leiter der Diakonissenanstalt in Neuendettelsau berufen wurde, ist folgender Ausspruch überliefert:
„Durch Gebet weicht der Staub von der Seele und die Last vom Gewissen und die Angst aus dem Herzen, der Mensch wird frei, die Fesseln fallen zu seinen Füßen nieder. Gebet ist der persönliche Zusammenschluss mit dem Erlöser.“
So gesehen ist das Gebet also der Staubwedel für unsere empfindsamen Seelen.

Verena Übler

 


Freitag, 2. September

Weltschöpfungstag

Seit über zehn Jahren feiern die christlichen Kirchen im Zusammenschluss der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) und auf Initiative der Orthodoxen Kirchen am ersten September einen Schöpfungstag. Auch die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen, die seit Mittwoch in Karlsruhe tagt, hat gestern den Blick auf die problematische Situation der Schöpfung gerichtet, unter der Überschrift: „Das Ziel Gottes für die ganze Schöpfung – Versöhnung und Einheit“. Dazu wurde auch ein großer Gottesdienst gefeiert. Das Gebet für die Schöpfung sollte nicht auf einen Tag beschränkt sein. Beten wir also immer wieder, zum Beispiel mit diesem Gebet der Vereinten Nationen:

Gott, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.
An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen,
dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,
nicht von Hunger und Furcht gepuält,
nicht zerrissen in sinnlose Trennung
nach Hautfarbe oder Weltanschauung.
Gib uns den Mut und die Voraussicht,
schon heute mit diesm Werk zu beginnen,
damit unsere Kinder und Kindeskinder einst
mit Stolz den Namen Mensch tragen.
Amen

Verena Übler