Mittwoch, 31. Mai
Durchreise
Immer wieder mal stehe ich vor meinen Regalen, üppig gefüllt mit Büchern und allen möglichen anderen Dingen und bin wild entschlossen, auszusortieren. Eine Weile stehe ich dann und betrachte alles, nehme das eine oder andere Buch in die Hand und – gebe auf.
Die Haltung des Zen-Meisters aus folgender Geschichte werde ich wohl nie erreichen:
Einmal besuchte ein Tourist einen berühmten Meister und staunte, wie einfach dessen Zimmer eingerichtet war. Nur Bücher, dazu ein Tisch und eine Bank. „Meister, wo sind deine Möbel?“, fragte der Tourist. „Und wo sind deine?“, erwiderte der Meister. „Aber ich bin hier nur auf der Durchreise“, sagte der Tourist. „Ich auch“, entgegnete der Meister.
Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?
Matthäus 6,26
Verena Übler
Freitag, 26. Mai
Zwei Zitaten bin ich in den vergangenen Wochen begegnet. Das eine lautet: "Es geht nicht um dich und nicht um mich, wenn wir sprechen, sondern um das Dritte." (Unter dem Zitat stand, es stammt von Bert Brecht, sicher bin ich mir da allerdings nicht).
Das andere lautet: "Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns." Es stammt vom persischen Dichter Rumi.
In beiden Zitaten geht es für mich um das Dritte, das Dir und mir noch unbekannt ist. Das wir beide erst finden, wenn wir uns miteinander auf die Suche machen, das wir entdecken können, wenn wir miteinander sprechen.
Ich glaube, dieses Dritte kann entstehen, wenn wir uns wirklich begegnen, wenn wir offen sind füreinander. Wenn wir uns von uns lösen.
Dann können Gedanken entstehen, von denen wir davor noch nichts ahnten. Dann kann etwas Neues zur Welt kommen.
Felix Breitling
Mittwoch, 24. Mai,
Wenn uns etwas nicht gefällt, malen wir einfach einen kleinen, fröhlichen Baum drüber. Für uns gibt es keine Fehler, sondern nur glückliche Zufälle.
Ach, wie schön wäre es, wenn wir bei den Sorgen, die wir haben, oder den Problemen, die auftauchen, einfach einen kleinen, fröhlichen Baum drübermalen könnten. Bei Bob Ross, von dem dieses Zitat stammt, klingt das ganz leicht. So leicht ist es natürlich nicht. Wer aber einen Tipp zum Runterkommen braucht, der/die ist bei Bob Ross genau richtig. Schon mal von ASMR gehört?
Autonomous Sensory Meridian Response, zu Deutsch: Autonome sensorische Meridianreaktion. Das ist ein Gefühl von Entspannung, das beim Betrachten von bestimmten, regelmäßig durchgeführten Tätigkeiten entsteht. Zum Beispiel gibt es im Internet Videos, die zeigen, wie einer Person minutenlang die Haare gekämmt werden. Dabei wird nicht gesprochen. Man sieht und hört nur das Haarekämmen. Viele Menschen nutzen die ASMR Videos zum Einschlafen.
Bob Ross beim Malen zuzusehen und zuzuhören – er spricht nämlich schon beim Malen -, hat für mich etwas von ASMR. Seine grundlegend positive, ruhige, motivierende Ausstrahlung tut gut.
Sehen Sie selbst:
https://www.youtube.com/watch?v=pw5ETGiiBRg
Verena Übler
Montag, 22. Mai
Heute ist der UNESCO-Welttag der biologischen Vielfalt.
„Und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist. Und es geschah so. Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringt, ein jedes nach seiner Art, und Bäume, die da Früchte tragen, in denen ihr Same ist, ein jeder nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. […] Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Walfische und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.“ (1. Mose 1, 11-12.20-21)
Auf der Erde lebt eine kaum vorstellbare Vielfalt von Tieren und Pflanzen.
Noch - muss man leider sagen. Denn inzwischen ist das größte Artensterben im Gang, seit vor 65 Millionen Jahren nach dem Einschlag eines riesigen Metoriten auf der Erde schon einmal in kurzer Zeit viele Arten ausgestorben sind.
Tag für Tag sterben auch bei uns in Deutschland Tiere und Pflanzen aus, die teilweise seit Millionen Jahren erfolgreich in ihren biologischen Systemen leben konnten. Durch den Klimawandel, durch Verschmutzung von Erde und Wasser, durch Vernichtung von Lebensräumen und viele weitere Veränderungen, die fast alle durch uns und unsere Lebensweise verursacht wurde und wird.
Die Schöpfung ist uns aber als Ganze anvertraut, dass wir sie „bebauen und bewahren“. Wir haben also eine Aufgabe und eine Verantwortung.
Und da wir Menschen ein Teil der Artenvielfalt sind, tun wir gut daran, nicht an dem Ast zu sägen, auf dem wir sitzen.
Mathias Brandstätter
Montag, 15. Mai
Die lange Straße
Kennen Sie auch das Gefühl, wenn man vor einer großen Aufgabe steht und nicht weiß, wie man sie bewältigen kann. Oder man denkt bei Entscheidungen und unbekannten Situationen immer ständig daran, was alles passieren könnte und blockiert sich dadurch selbst.
In dem Buch "Momo" von Michael Ende gibt es den Beppo Straßenkehrer, der das ganz wunderbar und einfach so erklärt:
"Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich.
Man denkt, die ist so schrecklich lang;
das kann man niemals schaffen, denkt man.
Und dann fängt man an, sich zu eilen.
Und man eilt sich immer mehr.
Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.
Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst,
und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr.
Und die Straße liegt immer noch vor einem.
So darf man es nicht machen.
Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?
Man muss nur an den nächsten Schritt denken,
an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich.
Und immer wieder nur an den nächsten.
Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut.
Und so soll es sein."
(aus: Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“, von Michael Ende, K. Thienemanns Verlag Stuttgart, 1973)
Mathias Brandstätter
Montag, 8. Mai
Der Monatsspruch für den Mai:
Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag (Spr. 3,27).
Für den Tischkalender der Foto AG wurde zu diesem Spruch ein Bild des Denkmals gewählt, das am Ende der Clemens-August-Straße steht. Dort, wo sich 1941-43 ein Sammellager für jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus München befand, die aus ihren Wohnungen vertrieben und bis zur Deportation in einem Trakt des ehemaligen Klosters in Mehrbettzimmern zusammengepfercht wurden.
Heute, am 8. Mai endete vor 78 Jahren mit dem 2. Weltkrieg die nationalsozialistische Gewaltherrschaft.
Mathias Brandstätter
Freitag, 5. Mai
„Kantate – Singt“, heißt der kommende Sonntag. Der Kirchenchor, einer unserer Chöre, wird natürlich den Gottesdienst mitgestalten. Vorgestern war ich in einem Musikgeschäft und auf dem Weg in den Keller hing eine Karte „Chöre in München“. Sie war schon etwas in die Jahre gekommen. Einige Chöre, die ich in München kenne, waren noch gar nicht dabei. Wenn ich alle diese Chöre zusammenzähle, dann sind es einige Tausend Menschen, die sich Woche für Woche treffen und gemeinsam singen. Dann kommen noch die dazu, die in Gottesdiensten singen, in Schulen und Kindergärten oder einfach für sich zu Hause, beim Kochen, beim Putzen, unter der Dusche. Singen, alleine oder im Chor, hat eine heilsame Wirkung, der Atem strömt, es weitet, Glückshormone werden ausgeschüttet. Singen trägt dazu bei, dass wir beschwingter werden, ausgeglichener, friedfertiger. Es tut einfach gut. „Kantate – Singt!“
Felix Breitling
Mittwoch, 3. Mai
In der Bibel gibt es die Geschichte von Lots Frau, die zur Salzsäule wird, weil sie sich im falschen Augenblick umgesehen hat (1. Mose 19,26).
Ich hadere immer ein wenig mit dieser Geschichte. Ich finde, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, hat durchaus seine Berechtigung. Problematisch wird es doch nur dann, wenn man in der Vergangenheit stecken bleibt. Wahrscheinlich ist die Geschichte auch so gemeint. Es kommt auf die Blickrichtung an, je nach Situation. Wenn man im Aufbruch ist, muss man nach vorn schauen. In die Richtung, in die man sich gerade bewegt. Katharina von Bora hat dazu auch eine weise Bemerkung gemacht:
„Gott hat uns die Augen vorn angebracht, damit wir nach vorn blicken und nicht nach hinten.“
Verena Übler