In einer Sendung des National Geographic wurde folgendes Experiment vorgestellt: Im recht voll besetzten Wartezimmer einer Augenarztpraxis war von Zeit zu Zeit ein Piepston zu hören. Jedes Mal standen die Wartenden für einen kurzen Moment auf und setzten sich wieder hin. Eine weitere Frau kam dazu, und es dauerte nicht lange – gerade einmal drei Töne – bis sie mitmachte und sich jedes Mal erhob. Nun wurden die „Patient*innen“ eine nach dem anderen aus dem Wartezimmer gerufen, bis die zuletzt hinzugekommene Frau alleine zurückblieb. Als der Piepston wieder erklang, stand sie auf, obwohl sich niemand sonst im Raum befand. Als nach und nach neue Personen in das Wartezimmer kamen, übernahmen diese ebenfalls bald die eigenartige Gewohnheit. Niemand kannte die Bedeutung und dennoch erhoben sich alle bei jedem Ton.
Später sagte die Frau, dass sie den Drang hatte, sich den anderen anzuschliessen, als diese immer wieder aufstanden. Sonst hätte sie sich ausgeschlossen gefühlt. Nachdem sie sich entschieden hatte mitzumachen, hätte sie sich sehr viel wohler gefühlt.
Das kleine Experiment führt vor Augen, wie schnell Menschen sich dem sozialen Umfeld anpassen. Die Angst, nicht dazuzugehören, wiegt schwer und kann uns sogar daran hindern, für unsere Überzeugungen einzustehen, und uns für das, was wir als gut, richtig und nötig erkannt haben, zu exponieren.
Wir sollten dankbar sein für Personen, die Gewohnheiten und Normen hinterfragen, deren Sinn nicht mehr offensichtlich ist. Mit ihrem Mut zeigen sie uns ein neues Beispiel, das uns animiert mitzumachen.
Mathias Brandstätter
Samstag, 29. Mai
Warum sorget ihr für die Kleidung? Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. (Matth. 6,28)
Bildrechte:Werner-Malte Hahn
Manchmal
Manchmal nimmt man wunderschöne Orte erst wahr, wenn man sich Zeit nimmt.
Manchmal sind wir so belastet und können überhaupt nichts mehr fühlen, sehen, hören.
Manchmal übersehen wir die Farben, die den Alltag auffrischen könnten.
Manchmal übersehen wir die Hilfe, die das Herz aufatmen läßt.
Werner-Malte Hahn
Freitag, 28. Mai
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. (Jesaja 43, 1)
Bei Beerdigungen nehme ich oft auf diesen Vers Bezug. Auch als Taufspruch ist er geeignet, Konfirmand*innen wählen ihn hin und wieder als Konfirmationsspruch.
Manchmal fühlen wir uns wie aus der Welt gefallen. Oder wie aus dem Flugzeug geschubst. Ein Streit, ein Schicksalsschlag, eine Krankheit lässt uns ins Bodenlose fallen.
Ich habe noch nie einen Fallschirmsprung gemacht. Ich weiß nicht, was das für ein Gefühl ist in den ersten Sekunden des Fallens. Ich glaube, ich hätte ganz schon viel Angst. Und dann, wenn der Fallschirm aufgeht und man spürt, wie man getragen wird - das fühlt sich doch bestimmt sehr erlösend an.
Die Angst verschwindet und vielleicht stellen sich dann sogar Glücksgefühle ein, weil man die Welt von oben sieht, den Wind spürt - und sich eben sicher und getragen weiß.
Sicher, getragen, geborgen, beschützt so dürfen wir uns bei Gott fühlen. Wir sind Gott nicht egal. Das macht Jesaja deutlich, wenn es heißt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.
Wir sind bei Gott eben keine Nummer. Gott kennt uns. Jeden und jede von uns.
In der Taufe machen wir das deutlich, wenn bei der Taufhandlung selbst der Name des Kindes und Gottes Name in einem Atemzug genannt werden; und bei einer Beerdigung, da werden wieder bei der Aussegnung der Name des Verstorbenen und Gottes Name in einem Atemzug genannt. Und dazwischen, da ist unsere Lebenszeit, die Zeit in der wir mit Gott auf Du und Du sein können. Mal mehr, mal weniger vielleicht. Mal ist uns dieses Du näher, mal ist es ferner. So empfinden wir es jedenfalls. Die Zusage, die Jesaja macht, gilt unabhängig davon.
Und, und das ist das besondere Extra: Sie gilt sogar über den Tod hinaus, denn durch Jesu Tod und Auferstehung ist uns auch die Ewigkeit zugesichert.
Kurzum: aus Gottes Hand können wir niemals rausfallen.
„Du bist mein“ sagt Gott zu uns. Du gehörst zu mir.
Verena Übler
Donnerstag, 27. Mai
Der Mai ist zwar schon fast vorbei, aber ich möchte nicht versäumen, das Kalenderblatt für den Mai aus dem Fotokalender der Foto AG zu zeigen:
Bildrechte:Therese Sarrazin
Dieses Jahr wurden für den Kalender Fotos gewählt, die die jeweiligen Monatssprüche illustrieren. Und dieses Bild passt perfekt zu dem Monatspruch für den Mai: Öffne Deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen! (Spr. 31,8)
Ja, lasst uns den Mund öffnen gegen Ungerechtigkeit und gegen Diskrimierung.
Ja, lasst uns eintreten für die Schwachen und die Unterdrückten.
Mathias Brandstätter
Mittwoch, 26. Mai
Manchmal, wenn ich in den Bergen sehe, wie auf einem schroffen Felsen eine Blume wächst, frage ich mich: Wie kann das sein? Wie kann auf so einem Felsen etwas wachsen?
Braucht es nicht Erde? Und Wasser in der Erde? Auf so einem Felsen fließt der Regen doch sofort wieder weg.
Ich staune.
Das Schöne, das Leben, bahnt sich einen Weg.
Manchmal ist es auch so bei uns Menschen.
Es gibt Menschen, die scheinen hart und abweisend. Die haben so gar nichts Freundliches, Strahlendes, Blühendes an sich. Kalt wirken sie und unnahbar.
Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich mich von so einem Menschen nicht habe erschrecken oder abschrecken lassen, wenn ich grad unbeirrt freundlich auf ihn zugegangen bin, wiederholt, dann konnte sich die harte Schale ein wenig öffnen. Und auf einmal hat sich ein „Blümlein“ den Weg gebahnt.
Auf einmal war da mehr und anderes als „harter Fels“.
Kennen Sie auch so jemand? Lassen Sie nicht locker!
Es geht dabei um Vertrauen.
Und dieses Vertrauen hat viel mit den Worten zu tun, die wir ganz häufig sprechen: Dein Wille geschehe.
Wir machen es nicht, dass auf dem Felsen Blumen wachsen.
Wir machen es nicht, dass ein Mensch sich öffnet.
Wir dürfen es Gott anvertrauen und für uns und die um uns herum bitten:
Dein Wille geschehe.
Kommen Sie gut durch die Pfingstzeit!
Verena Übler
Dienstag, 25. Mai
Strahlen brechen viele (EG 268)
Text: Dieter Trautwein 1976 nach einem schwedischen Lied von Anders Frostenson (1972)
1 Strahlen brechen viele aus einem Licht.
Unser Licht heißt Christus.
Strahlen brechen viele aus einem Licht -
und wir sind eins durch ihn.
2 Zweige wachsen viele aus einem Stamm.
Unser Stamm heißt Christus.
Zweige wachsen viele aus einem Stamm -
und wir sind eins durch ihn.
3 Gaben gibt es viele, Liebe vereint.
Liebe schenkt uns Christus.
Gaben gibt es viele, Liebe vereint -
und wir sind eins durch ihn.
4 Dienste leben viele aus einem Geist,
Geist von Jesus Christus.
Dienste leben viele aus einem Geist -
und wir sind eins durch ihn.
5 Glieder sind es viele, doch nur ein Leib.
Wir sind Glieder Christi.
Glieder sind es viele, doch nur ein Leib -
und wir sind eins durch ihn.
Carolin Lochner
Samstag, 22. Mai
Heute morgen ist leider kein „Gedanke zum Tag“ erschienen. Der Grund: ein lang andauernder Stromausfall im Münchner Osten von Freitag in den frühen Morgenstunden bis heute, Samstagmittag. Kein Strom, keine Heizung, kein Kühlschrank, kein Internet und in der Folge auch kein Gedanke zum Tag. … Auf einmal wird deutlich, welch eine Besonderheit es ist, rund um die Uhr Strom zu haben. In vielen Ländern gibt es am Tag gerade mal ein paar Stunden Strom, Stromausfälle sind an der Tagesordnung. In unserem reichen Land ist Strom ein nahezu selbstverständliches Gut. So wie sauberes Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung, Bildung und vieles mehr.
Selbstverständlich ist davon nichts. Aber vieles davon ist ein Menschenrecht und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, uns dafür einzusetzen, dass jed*er Mensch dazu einen Zugang hat.
Ich glaube, dass der Heilige Geist uns zu dieser Aufgabe die nötige Phantasie, Kraft und Liebe gibt.
Felix Breitling
Freitag, 21. Mai
Mein heutiger Gedanke stammt von Meister Eckhart, einem thüringischen Dominikanermönch (um 1260 bis 30.4.1328), Theologe und Philosoph.
Er war klug und einflussreich und hat sich zeitlebens für eine spirituelle Praxis im Alltag eingesetzt. Er konnte wohl ziemlich provozieren, weil seine Gedanken und Äußerungen nicht immer mit der Lehre der Kirche übereinstimmten. Das ging soweit, dass sogar ein Inquisitionsprozess gegen ihn eingeleitet wurde. Dem Abschluss dieses Verfahrens musste er sich aber nicht mehr stellen – er starb kurz vorher.
Hier nun ein Gedanke von ihm, den man kurz zusammengefasst auch unter „carpe diem“ kennt:
Welches ist die wichtigste Stunde, die ein Mensch erlebt, welches der bedeutendste Mensch, der ihm begegnet, und welches das notwendigste Werk?
Die Antwort lautet:
Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenüber steht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.
Verena Übler
Donnerstag, 20. Mai
"We are human beings, not human doings."
Diesen Satz habe ich gestern in einer Mail gelesen, die ich bekommen habe.
Ich möchte Ihnen diesen Satz heute weitergeben. Ich finde ihn nachdenkenswert.
Felix Breitling
Mittwoch, 19. Mai
Die Losung für den heutigen Tag lautet:
„Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Psalm 98, 1
Und der Lehrtext dazu:
„Singt Gott dankbar in euren Herzen.“ Kolosser 3, 16
Also, diese Tageslosung schreit ja geradezu nach einem link zu einem Lied. Nur zu welchem?
Eigentlich müsste es ja ein neues sein. Aber ich kann nicht komponieren. Hm, soll es auf Deutsch sein? Oder doch Englisch? Oder lieber ein italienischer Canzone? Ein französischer Chanson? Hach, es gibt einfach zu viele Optionen.
Wie wäre es hiermit: Irgendwie, irgendwo, irgendwann…
Na, erkannt? Nena singt hier von der Zukunft, der wir mutig auf Feuerrädern entgegen fahren können. Ein Lied zum laut Mitsingen, zum Tanzen, zum Verscheuchen dunkler Gedanken und zum Vertrauen auf Gottes Wunder, für die wir wiederum mit einem Lied auf den Lippen dankbar sein können.
Verena Übler
Dienstag, 18. Mai
Gesehen werden wie ich bin.
Ein Wunsch, eine Sehnsucht, eine Erfüllung, wenn es so ist.
So wie bei Gillian Lyne. Von ihrem Gesehen werden berichtet dies Weg-Wort der Bahnhofskirche in Zürich:
Am Rand der Stadt Fellbach in Baden-Württemberg, nicht weit von Stuttgart entfernt, gibt es seit einigen Jahren einen "Besinnungsweg". Der Weg besteht aus verschiedenen Stationen, die von Künstlern gestaltet wurden und sich mit unterschiedlichen Themen aus Literatur, Philosophie und Religion beschäftigen.
Eine der Stationen, die mich sehr beeindruckt hat, heißt "Schöpfung" und besteht aus einer 18 m lange Stahlplatte, auf die der Künstler Micha Ullman die Konturen eines existierenden Baumes kopiert und anschließend herausgesägt hat. Durch die freien Stellen der Platte, die direkt auf dem Boden liegt, wächst das Gras und zeichnet dadurch das Bild dieses Baumes nach.
Dieses Kunstwerk hat ein breites Spektrum an Bedeutungen - wie auf der Internetseite des Weges (www.besinnungsweg-fellbach.de) beschrieben wird: "Von der Symbolik des Prinzips von Werden und Vergehen in der Natur, über die Idee des Lebensbaumes, des Stammbaumes, aber auch für das Phänomen des Einmaligen, des Individuellen innerhalb einer Gattung, das sich im Rahmen eines Bauplans stets ähnlich, aber in genau dieser Form nie wieder einstellen wird.
Damit steht dieser Baum (...) auch als Zeichen für das menschliche Wesen, die Unwiederbringlichkeit und Einzigartigkeit eines jeden Individuums."
Mathias Brandstätter
Samstag, 15. Mai
Neulich habe ich eine Pappkiste bekommen, auf der „Fotos“ steht. Sie ist randvoll mit unsortierten Fotos, die ich in meiner Jugend gemacht habe, mit einem Fotoapparat, analog, auf Fotopapier – die Negativstreifen sind teilweise auch noch dabei.
Am Zeitungsständer – morgens schaue ich mir immer die Titelseiten an – wurde heute eine neue Serie „Münchner & das Foto ihres Lebens“ angekündigt. Da musste ich an die Fotokiste denken und ich bin wieder neugierig geworden, was in dieser Kiste steckt. Bislang hatte ich noch keine Zeit, mich mit ihr zu beschäftigen. Solche Reisen in die Vergangenheit brauchen ja auch Zeit und Ruhe und den richtigen Moment.
Wie geht es den Menschen heute, die auf den Fotos sind? Wo und wie leben sie jetzt? Was hat uns früher verbunden? Was haben wir früher alles zusammen erlebt? Warum haben wir keinen Kontakt mehr? Gibt es eine Möglichkeit, den Kontakt wiederaufzunehmen? Wer war ich damals? Wie habe ich mich verändert? Was hat mich geprägt?
Wenn ich die Kiste mit den Fotos dann wieder schließe, dann wünsche ich mir Gottes Segen. Für die Menschen auf den Fotos, für die gemeinsam verbrachte Zeit, für das, was war.
Felix Breitling
Freitag, 14. Mai
Oh, Gott, ich freue mich zu leben
Gebet am Morgen
Oh Gott, ich freue mich, zu leben. In dieser Stunde regt sich die ganze Natur, um dem neuen Tag zu begegnen. Aber ich möchte Dir Preis und Anbetung bringen, wie es nur ein menschliches Herz vermag.
Ich bin fasziniert vom Mysterium der Dunkelheit, die sich ans Licht übergibt.
Ich bin fasziniert von der Fruchtbarkeit der Erde und der Schönheit des Himmels.
Ich bin fasziniert von den vielen lang versteckten Geheimnissen, die jetzt erst entdeckt werden.
Ich bin fasziniert vom wachsenden Wissen, das wir vom menschlichen Leben und seinen Beziehungen haben.
Ich mag die Farbe und die Form der Dinge und wie sie sich anfühlen;
Ich mag die Laute der Natur und die Gespräche meiner Familie und Freunde;
Ich mag das Schwatzen kleiner Kinder und die Lieder und das Gelächter junger Menschen.
Ich mag so viele Hügel und Täler, die ich kenne, und Meere und Flüsse und wilde Orte.
Ich mag die Muster der Felder und ihre Fruchtbarkeit;
Ich mag die Art, wie Frauen und Männer Heime gebaut haben, um zusammen zu sein, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen.
Gib mir den Mut, Gott, an diesem ruhigen Ort den Dingen ins Auge zu schauen, denen ich ins Auge schauen sollte, bevor ich hinaus gehe, meinen Mitmenschen ins Auge zu schauen. Rita Snowden
Verena Übler
Christi Himmelfahrt - Donnerstag, 13. Mai
Himmelfahrt – Jesus ist wieder bei Gott.
Auf der Erde ist er nun nicht mehr, so wie er seinen Jüngern nach Ostern noch erschienen ist. Gerade dadurch ist er den Menschen auf der Welt nun nah – allen gleich nah, mit seinem Geist, mit seiner Liebe, im Gebet.
Für die Jünger aber war er erst einmal weg. Wie wird nun ihre Zukunft aussehen ohne ihn? Sie müssen jetzt alleine zurechtkommen. Oder anders: Jesus traut ihnen zu, alleine zurechtzukommen. Er wollte Menschen ja nicht von sich abhängig machen, sondern ihnen den Weg in die Freiheit zeigen.
Vielleicht war es nötig, dass die Jünger alleine ihrer Wege gehen – ein nötiger Schritt in die Selbständigkeit. Ins Erwachsenwerden.
Als ob Jesus sagen möchte: Klammert euch nicht an eure Geschichte mit mir. Klammert euch nicht an das, was war. Erinnert euch, bewahrt es, aber bleibt nicht stehen. Ihr packt das schon. Ich lasse euch los – aber nicht alleine.
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht in den Himmel?“ sagen zwei weiße Gestalten zu den Jüngern (Apostelgeschichte 1,11), als Jesus in den Himmel fährt. Wie wenn sie sagen wollten: Schaut nicht hinauf. Sucht seine Spuren hier mitten in der Welt, in euren Begegnungen, in eurem Alltag. Und, der Gedanke liegt nahe: Tretet als seine Zeuginnen und Zeugen in seine Fußstapfen und gebt seine Botschaft weiter.
Himmelfahrt, das klingt so weit. Aber eigentlich heißt es: Jesus ist uns Menschen jetzt ganz nah. Bei uns und mit uns und in uns.
Felix Breitling
Mittwoch, 12. Mai
Der mit dem Hut
Heute vor 100 Jahren wurde in Krefeld Joseph Beuys geboren. Er ist in Kleve aufgewachsen und 1986 in Düsseldorf gestorben. Nicht unumstritten als Person gilt er dennoch als einer der bedeutendesten Künstler des 20. Jahrhunderts.
„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – das ist wohl das bekannteste Zitat von ihm. Er hat damit wohl nicht gemeint, dass wir nun alle umgehend zu Pinsel und Leinwand greifen sollen. Vielmehr ging es ihm darum, dass wir unseren Ort im Leben, unseren Arbeitsplatz als künstlerische Aufgabe verstehen sollen.
Ich kann dem etwas abgewinnen. Kreative Potenziale stecken in uns allen. Es kommt darauf an, sie freizusetzen.
Im Gleichnis von den Talenten werden die Knechte gelobt, die – im übertragenen Sinn - ihr Potenzial entwickeln. Der Knecht, der sein Talent vergräbt, wird gescholten. (Matthäus 25, 14-29)
Jesus will uns einmal mehr Mut machen, Vertrauen zu uns selbst zu haben und zu dem kreativen Potenzial das Gott uns in die Wiege gelegt hat.
Verena Übler
Dienstag, 11. Mai
Düfte
Bei einem Spaziergang oder im eigenen Garten strömen gerade verschiedene Düfte in unsere Nasen. Ob Flieder oder Kirschblüte oder auch das Gänseblümchen. Jede Pflanze hat ihren eigenen Duft. Nicht jeder mag jeden Duft. Gerne bringt man Menschen einen duftenden Strauß vorbei und hofft, dass er gefällt und wohl riecht. Auch für den Beschenkten.
Es ist etwas Kostbares, wenn der Duft im Überschwang vorhanden ist. Düfte wollen konserviert werden. Oftmals in Ölen. Und doch geht jeder Duft von Sekunde zu Sekunde verloren, verliert an Kraft. Vielleicht werden deshalb auch Düfte so wertgeschätzt, weil sie verfliegen, sich verflüchtigen. Sie sind nicht haltbar, sobald sie gezeigt, verschenkt, geöffnet werden.
Maria war das damals egal. Es konnte nicht kostbar genug sein. Das ganze Haus wurde erfüllt vom Duft des Öls. So erzählt Johannes (Joh. 12,3):
Da nahm Maria ein Pfund Salböl von unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete mit ihrem Haar seine Füße; das Haus aber wurde erfüllt vom Duft des Öls.
Wo verschwenden wir gerne und mit vollem Herzen?
Carolin Lochner
Montag, 10. Mai
Netzwerke
Vor einiger Zeit blieb die mechanische Wanduhr stehen, die in meiner Wohnung an der Wand hängt. Nach vergeblichen Versuchen, sie wieder in Schwung zu bringen, zerlegte ich sie dann, um alle Teile zu reinigen. Die Reinigungsaktion dauerte etwas länger, und als ich die Uhr schließlich wieder zusammenbauen wollte, kostete es einige Mühen, bis ich sie wieder komplett hatte. Nur ein einziges kleines Metallteil blieb übrig, an dessen Funktion und Platz ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte.
Aber erfreulicherweise funktionierte die Uhr trotzdem wieder - bis zum ersten Stundenschlag. Der kam dann nämlich nicht und ich wusste nun, wofür das Teil notwendig ist. Ich hatte es mir ja auch gedacht, dass in einem mechanischen Werk kein Teil überflüssig ist.
An diese Erfahrung kam mir wieder in den Sinn, als ich in dem Buch von Peter Wohlleben über "Das geheime Netzwerke der Natur" las. In dem Buch geht es darum, dass in der Natur die Tiere und Pflanzen vielfach miteinander vernetzt sind. Die Natur ist ja unendlich komplexer als so eine einfache Wanduhr, deshalb fällt es meistens zuerst gar nicht auf, wenn eine Tier- oder Pflanzenart verschwindet - was derzeit leider in einem immer größeren Tempo passiert. Oft weiß man ja nicht einmal, welche Beziehungen und Netzwerke da überhaupt bestehen. Irgendwann und an irgendeiner Stelle in der Umwelt hat dieses Verschwinden jedoch Folgen, vielleicht zuerst unbemerkt, aber vielleicht dann auch sicht- (oder hör-) bar.
Das bedeutet auch:
Jedes noch so unscheinbare Lebewesen, jede Pflanze, ja unsere ganze Umwelt auf der Erde ist kostbar und wertvoll. Alles hat seinen Platz und eine Bedeutung auch für uns Menschen.
Um so wichtiger, dass wir alles dafür tun, diese Vielfalt zu erhalten.
Mathias Brandstätter
Samstag, 8. Mai
Heute, vor 76 Jahren, am 8. Mai 1945, ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Am 30. April 1958 verlas Präses Lothar Kreyssig auf der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands den folgenden Aufruf zur Gründung der Aktion Sühnezeichen:
"Wir Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und schon damit mehr als andere unmessbares Leiden der Menschheit verschuldet: Deutsche haben in frevlerischem Aufstand gegen Gott Millionen von Juden umgebracht. Wer von uns Überlebenden das nicht gewollt hat, der hat nicht genug getan, es zu verhindern. Wir haben vornehmlich darum noch immer keinen Frieden, weil zu wenig Versöhnung ist. Dreizehn Jahre sind erst in dumpfer Betäubung, dann in neuer angstvoller Selbstbehauptung vergangen. Es droht, zu spät zu werden. Aber noch können wir, unbeschadet der Pflicht zu gewissenhafter politischer Entscheidung, der Selbstrechtfertigung, der Bitterkeit und dem Hass eine Kraft entgegensetzen, wenn wir selbst wirklich vergeben, Vergebung erbitten und diese Gesinnung praktizieren. Des zum Zeichen bitten wir die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, dass sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Land etwas Gutes zu tun; ein Dorf, eine Siedlung, eine Kirche, ein Krankenhaus oder was sie sonst Gemeinnütziges wollen, als Versöhnungszeichen zu errichten. Lasst uns mit Polen, Russland und Israel beginnen, denen wir wohl am meisten wehgetan haben. Wir bitten heute, Deutsche die Deutschen, dass sich um Gottes Willen arbeitsfähige Frauen und Männer aller Stände und Konfessionen bereit finden möchten, je auf ein Jahr nach Polen, Russland oder Israel zu gehen, um dort gemeinsam ein Friedenszeichen zu errichten. Wir bitten die Regierungen Polens, der UdSSR und Israels, den Dienst - wie viele sich immer dazu bereit finden möchten - nicht als eine irgendwie beträchtliche Hilfe oder Wiedergutmachung, aber als Bitte um Vergebung und Frieden anzunehmen und zu helfen, dass der Dienst zustande kommt."
Seitdem haben sich viele Jugendliche und junge Erwachsene als Freiwillige in Projekten in Israel, Polen, Russland, Belarus, in der Ukraine, in Tschechien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Norwegen, Großbritannien und in den USA engagiert und haben einen Beitrag zum Frieden geleistet. Ab September 2021 engagieren sich ASF-Freiwillige auch in Griechenland.
Am vergangenen Dienstag haben wir in der Jugendkirche/Rogatekirche einen Jugendgottesdienst gefeiert. Verantwortet von unserem Prodekanatsjugendreferenten Sebastian Lessner und mir als Regionaljugendpfarrerin. Vorbereitet haben ihn in erster Linie vier junge Frauen aus der Gustav-Adolf-Gemeinde. Ihnen war es ein Anliegen, gerade jetzt das Thema Lebensfreude unter die Lupe zu nehmen und einen Gottesdienst zu feiern, in dem Lebensfreude spürbar wird. Im Predigtteil ging es um verschiedene Aspekte dazu, angeknüpft an den Bibelvers „Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“ (Lk 11, 20). Egal an welchem Punkt wir im Augenblick sind, ob uns die Lebensfreude gerade eher abhanden gekommen ist oder ob wir trotz allem immer wieder Freude erleben, unser Wert und unsere Würde bei Gott sind immer da und für alle gleich. Gott kennt uns mit Namen und liebt uns. Das ist schon Grund zur Freude.
Christina vom Vorbereitungsteam hat uns von ihrer Liste erzählt, auf der sie Ideen sammelt, wie sie zu (mehr) Lebensfreude kommt. Da finden sich so ganz simple Dinge wie „täglich genug Wasser trinken“ oder „Obst essen“ bis hin zu „einen Online-Sportkurs machen“ oder „einen Podcast hören“. Christina ist sich sicher: „Am Ende des Tages habt ihr immer etwas Kleines, auch wenn es nur ausreichend Wasser trinken war, erfolgreich erledigt und tragt ein Lächeln im Gesicht!“
Während des Gottesdienstes konnten wir dann auf einem Zettel mit der Überschrift „Liste guter Ideen für Lebensfreude“ selbst spontan solche Ideen notieren.
Probieren Sie’s doch auch mal aus!
Verena Übler
Donnerstag, 6. Mai
Gestern hatte ich Notbetreuung in einer 2. Klasse in der Grundschule.
„Ich bin fertig mit meinen Aufgaben. Darf ich M. helfen?“ fragte ein Mädchen.
„Ja, wenn Ihr auf den Abstand achtet“ antwortete ich. Die beiden haben den Rest der Aufgaben dann gemeinsam gemacht.
„Dürfen wir zusammen unsere Sammelalben ansehen?“ fragten mich dann zwei Jungen aus der Klasse.
„Ja, klar - ihr wisst ja: mit Abstand.“ Begeistert erklärten sie mir ihre Sammelbilder und pflegten zusammen ihre Alben.
Drei Kinder aus der Klasse hatten sich eine Geschichte ausgedacht und spielten zusammen.
Warum ich das hier schreibe?
Es hat mich beeindruckt, wie die Kinder in Beziehung waren, miteinander vertieft in das, womit sie gerade beschäftigt waren und es war dabei ziemlich leise in diesem Klassenzimmer.
Die Kinder achteten aufeinander, hörten zu und waren miteinander im Gespräch.
Ich weiß nicht, ob das immer so ist in dieser Klasse - aber die drei Stunden haben mich sehr beeindruckt und noch den ganzen Tag erfüllt.
Und ich habe wieder gemerkt, dass es das ist, was Kinder ganz besonders jetzt, aber auch sonst, dringend brauchen: den Kontakt miteinander, gemeinsam Spielen, in Beziehung sein.
Felix Breitling
Mittwoch, 5. Mai
Der 100. Name Gottes
In der islamischen Überlieferung wird gesagt, dass Allah 100 Namen hat, aber nur 99 bekannt sind. Den 100. Namen kennt das weise Kamel, aber es schweigt.
Auch wir Christ*innen haben für Gott verschiedene Namen / Bezeichnungen.
Wenn wir im Konfi-Kurs über das Thema „Gottesbild“ sprechen, leiten wir diese Einheit oft mit einem Klangteppich aus den unterschiedlichsten Namen Gottes ein. Wir vom Team verteilen uns im Raum und lassen sozusagen eine Wortwolke erklingen:
Gott – Vater – König – Retter – Licht – Heiland – Schöpfer – Burg – Windhauch – Barmherziger – Gütiger – Liebe – Richter – Kraft – Quelle – Erlöser – Fels – Allmächtiger – Herr – Sonne – Heil – Hand – Anfang und Ende – Ewiger – Dreieiniger – Hirte – Helfer – Gerechter – Versöhner – Herr Zebaoth – Weisheit – Dreieinigkeit – Zuflucht
Bis hierhin ist diese Liste sehr von „männlichen“ Bildern geprägt. Aber ist Gott ein Mann? Schon klar, dass sprachlich gesehen wir die Bezeichnungen im Maskulinum gebrauchen. Schließlich sagen wir „der“ Gott. Und doch ist Gott in meinen Augen viel mehr als „der“ Gott. In der Bibel können wir auch „weibliche“ Bilder Gottes entdecken. Und so ergänzen wir im Konfi-Kurs die Liste:
– Freundin – Geistkraft – flügelausbreitende Henne – Adlermutter – Bäckerin – Mutter – Weisheit –
„Du sollst dir kein Bild von Gott machen“ heißt es in den zehn Geboten. Damit ist gemeint, dass wir Gott nicht festlegen dürfen auf ein Bild. Trotzdem brauchen wir Bilder, um von Gott reden zu können – und das dürfen wir auch. Aber Gott ist immer mehr als ein Bild.
Welches ist Ihres?
Verena Übler
Dienstag, 4. Mai
Gelost für ein Jahr
Jedes Jahr Anfang Mai wird gelost. Eine Ziffer nach der anderen. Gelost aus einem großen Topf. Seit Jahren steht eine Gemeinschaft, die Herrnhuter Brüdergemeine, dafür, diesen Losnummern Sprüche aus dem Alten Testament zuzuordnen, einen Text aus dem Neuen Testament zu ergänzen und einen Lied- oder Gebetstext hinzuzufügen. Gelost für die tägliche Andacht vieler Menschen im drittnächsten Jahr. Für den heutigen 04. Mai wurde folgender Text im Mai 2018 gelost - und danach in mindestens 55 Sprachen übersetzt.
Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich und gibst meiner Seele große Kraft. Psalm 138,3
Welcher Text aus dem Neuen Testament würde mir passend vorkommen? Die Brüdergemeine wählte diesen hier:
Es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Römer 10,12
Jedenfalls hatte ich sofort dieses Lied im Kopf:
Lobe den Herrn, meine Seele, und seinen heiligen Namen.
Was er dir Gutes getan hat, Seele, vergiss es nicht, Amen.
In der vierten Strophe heißt es dort:
Der Erd und Himmel zusammenhält,
unter sein göttliches Jawort stellt,
den will ich preisen
mit Psalmen und Weisen,
von Herzen ihm ewiglich singen.
Von Herzen ewiglich singen – in der Woche Kantate jedenfalls eine Option, wie ich finde.
Carolin Lochner
Montag, 3. Mai
Apfelbäumchen
Das kleine Apfelbäumchen hinter der Rogatekirche steht gerade in voller Blüte.
Es wurde 2019 beim Erntedankfest nach dem Gottesdienst dort eingepflanzt und hat hier einen schönen und sonnigen Platz gefunden.
Ein Apfelbaum neben einer evangelischen Kirche - da denkt man sicher gleich an den vielzitierten Spruch von Martin Luther:
"Und wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heut noch ein Apfelbäumchen pflanzen".
Dabei stammt der Spruch - soweit man inzwischen weiß - gar nicht von Luther, denn in keiner der überlieferten Schriften wird er jemals erwähnt, weder von ihm selbst noch von seinem Umfeld. Vermutlich wurde der Satz erst in den 1930-er Jahren erfunden und taucht zum ersten Mal als angebliches Luther-Zitat in einem Schreiben der Bekennden Kirche von 1944 auf.
Aber auch wenn der Spruch nicht von Martin Luther ist, so würde er doch gut zu ihm passen. Es spricht aus ihm ein unerschütterliches Gottvertrauen und ein tiefer Glaube an die Zukunft - auch wenn die Welt vor dem Untergang stünde.
Angesichts der drohenden Klimaveränderungen, deren Auswirkungen jetzt schon immer deutlicher werden, ist das Apfelbäumchen aber auch für uns ein sehr passendes Symbol dafür, den Mut nicht zu verlieren und uns weiterhin aktiv und mit aller Kraft für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
Mathias Brandstätter
Samstag, 1. Mai
„Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken, und den Gemeindegarten der Offenbarungskirche zum Blühen bringen. Am Samstag, den 23. April ab 10.00 Uhr, geht es los.“ So stand es 2016 im Gemeindebrief. Gemeinsam haben wir an diesem Tag eine Wiese neben dem Gemeindehaus in ein Blumenbeet verwandelt. Wir haben die Wiese abgetragen, umgegraben, Erde eingearbeitet und Stauden eingepflanzt, die wir für das Beet geschenkt bekommen haben.
Seit fünf Jahren freuen sich jetzt viele Menschen jedes Jahr über dieses Beet – und ganz besonders in der Zeit, in der die Tulpen blühen.
Seit wir das Blumenbeet angelegt haben, kamen immer wieder neue Tulpenzwiebeln dazu; einige sind sogar ein Mitbringsel aus den Niederlanden. Jedes Jahr denke ich mir, das Beet ist noch schöner, vielfältiger und farbenfroher als im vergangenen Jahr. Mittlerweile sind auf dem Gartengelände auch mehrere Hochbeete dazugekommen, in denen Hobby-Gärter*innen, Gemüse, Kräuter und Blumen anbauen und anpflanzen.
Zwei Bänke zum Verweilen stehen auch da. Eine kleine Oase in der Stadt. Kommen Sie doch einfach mal vorbei.