Juli 2020

Freitag, 31. Juli

Vielleicht kennen Sie den ökumenischen Verein „Andere Zeiten“. Er gibt in jedem Jahr den Kalender „Der andere Advent“ heraus. In seinem Leitbild schreibt der Verein:

„Wir mögen den Wechsel der Jahreszeiten. Freuen uns, wenn sonntags auch in der Stadt Ruhe einkehrt. Wir möchten Feiertage nicht wie Alltage verbringen und glauben, dass jedes Oster- und Weihnachtsfest aufs Neue entdeckt werden muss. Mit unseren Angeboten laden wir ein, die Zeiten und Feste des Kirchenjahres bewusst zu erleben und zu gestalten. Wir möchten Menschen bei der Suche nach Gott und auf dem Weg ihres Glaubens begleiten: mit Texten und Bildern, mit Aktionen und Symbolen. Dabei ist uns der persönliche Kontakt zu unseren Lesern und Leserinnen wichtig, mit denen wir über Briefe, Gottesdienste oder das Internet im Gespräch sind.“

Für mich ist es bereichernd, im Kalenderjahr und im Kirchenjahr zu leben. In zwei Zeitrechnungen. Das fängt schon bei der Woche an. Der Gottesdienst am Sonntagmorgen feiert den Beginn der neuen Woche „in Christus“. Jede Woche beginnt mit einem kleinen Osterfest. Nach der Uhrzeit der Welt hingegen läuft am Sonntag das Wochenende aus. In der katholischen Kirche ist die Zeit noch stärker durch Heiligentage und kirchliche Feiertage geprägt.

Der Verein „Andere Zeiten“ gibt dreimal im Jahr ein Magazin zum Kirchenjahr heraus. Sie können es kostenlos bestellen.
Nähere Informationen zum Verein „Andere Zeiten“ e.V. finden Sie unter:
www.anderezeiten.de

Felix Breitling


Donnerstag, 30. Juli

Der Himmel über mir

Der Himmel über mir ist blau.
Nur selten durchkreuzt ein Flugzeug das Himmelblau.

Der Himmel über mir ist dunkelgrau.
Er erzählt Geschichten vom plötzlichen Aufbrausen und bedrohlichem Schwarz.

Der Himmel über mir ist rot.
Die Sonne mischt sich in das Blau und Grau ein.

Der Himmel über mir ist gelb-schwarz.
Die Sterne funkeln in der dunklen Nacht.

Der Himmel über mir ist da.
Er umspannt mein Leben.

Assoziationen zum Lied: Der Himmel geht über allen auf, auf alle über, über allen auf. (EG 562)

Carolin Lochner


Mittwoch, 29. Juli

Fortuna lächelt, doch sie mag nur ungern voll beglücken;
Schenkt sie uns einen Sommertag, so schenkt sie uns auch Mücken.

Dieser Sinnspruch steht in meinem Poesiealbum. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass er von Wilhelm Busch ist. Schon als Kind hat mich die besondere Wahrheit, die in diesen Zeilen steckt, fasziniert. Es ist eine Erfahrung, die viele von uns machen. Man erlebt etwas richtig Schönes und dann trübt irgendetwas Unangenehmes dieses Erlebnis. So als ob Fortuna uns die ungetrübte Freude nicht gönnen würde. Ein entspanntes Picknick im Sonnenschein und im nächsten Moment ergießt sich ein Regenschauer aus der dunklen Wolke.

Nur noch schnell den Müll runterbringen ehe es in den ersehnten Wochenendausflug geht und dann die letzte Treppenstufe übersehen – Fuß verstaucht.
Gut, wenn es uns gelingt, dem Unangenehmen nicht so viel Raum zu geben und das Schöne trotzdem in vollen Zügen zu genießen.

Ich wünsche schöne Sommertage und gegen die Mücken gibt’s ja „Anti-Brumm“...

Verena Übler


Dienstag, 28. Juli

In einer Kleinstadt im Friaul haben wir vor drei Jahren in einer Keramikwerkstatt eine Wandkachel mit Maria und dem Jesuskind gekauft. Auf dem Weg zum Parkplatz ist uns die Tüte runtergefallen. Die Kachel war zwar gut eingepackt. Dennoch war am oberen Rand ein Stück von der Farbe abgeplatzt. Zunächst habe ich mich geärgert. Dann bin ich ins Nachdenken gekommen und habe gemerkt, diese Stelle gehört gerade dazu, sie sagt etwas aus und hat eine Bedeutung.
Der Theologe Henning Luther schreibt zum Gottesbild:

„Der Gott, als dessen Ebenbild der Mensch gedacht ist, ist mit Christus nicht mehr der Gott der Stärke, sondern der Schwäche, nicht mehr der Gott der Macht, sondern der Ohnmacht. Weihnachten heißt: ein Kind ist Gott – ein Kind, also das unvollkommene, unfertige, hilfsbedürftige Wesen. Ostern heißt: der zerbrochene, gekreuzigte Mensch Jesus ist Gott.“

Daran erinnert mich jetzt diese Wandkachel mit Maria und dem Jesuskind und dem abgeplatzten Rand, wenn ich sie ansehe.

Dieses Gottesbild verändert auch unser Menschsein. Als Ebenbilder Gottes sind wir nicht ganz und vollkommen und müssen es auch nicht sein. Henning Luther hat dazu den nachdenkenswerten Satz geschrieben, dass „wir durch das Evangelium davon befreit werden, ganz sein zu wollen, obwohl wir nicht ganz sein können.“

Felix Breitling

                                                                                                                                                                                                                                                                 


Montag, 27. Juli

Der Wochenpsalm als Motto für diese Woche: Danket dem Herrn.

Wo würde ich mich heute einsortieren? Zu welcher Personengruppe würde ich mich zählen? Vielleicht müsste ich auch eine ergänzen…

Psalm 107

1 Danket dem Herrn; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
2 So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat,
3 die er aus den Ländern zusammengebracht hat
von Osten und Westen, von Norden und Süden.
4 Die irregingen in der Wüste, auf ungebahntem Wege,
und fanden keine Stadt, in der sie wohnen konnten,
5 die hungrig und durstig waren
und deren Seele verschmachtete,
6 die dann zum Herrn riefen in ihrer Not
und er errettete sie aus ihren Ängsten

7 und führte sie den richtigen Weg,
dass sie kamen zur Stadt, in der sie wohnen konnten:
8 Die sollen dem Herrn danken für seine Güte / und für seine Wunder,
die er an den Menschenkindern tut,

9 dass er sättigt die durstige Seele
und die Hungrigen füllt mit Gutem.

Carolin Lochner


Sonntag, 26. Juli

Predigt von Pfarrer Felix Breitling s. Predigten zum Nachhören


Samstag, 25. Juli

"Wer nur den lieben Gott lässt walten"

Haben Sie auch einen Lieblings-Choral? Ein Lied aus dem Gesangbuch, das Sie besonders anspricht und das Sie vielleicht schon länger durch das Leben begleitet?

Der Choral "Wer nur den lieben Gott lässt walten" (EG 369) gehört auf jeden Fall zu meinen Favoriten.

Gedichtet und komponiert wurde dieses Trost- und Hoffnungslied  im Jahr 1641 vom 21-jährigen Georg Neumark. Damals herrschte noch der 30-jährige Krieg, der begleitet von Hungersnöten und Pestepidemien ganz Europa verwüstete und unzählige Menschenleben forderte. Neumark beschreibt in dem Lied seine eigenen Erfahrungen. Er war damals völlig mittellos gewesen, hatte aber die Hoffnung nie ganz aufgegeben und schließlich doch Hilfe und Unterstützung erhalten.

Im ersten Vers heißt es:
Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn allezeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
der hat auf keinen Sand gebaut.

Der Choral gibt mir auch in schwierigen Zeiten Trost und er macht Mut, Hoffnung und Zuversicht.

Und mit ‚Zuversicht‘ - so endet auch der letzte Vers:
Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,
verricht das Deine nur getreu

und trau des Himmels reichem Segen,
so wird er bei dir werden neu;
denn welcher seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verlässt er nicht.

Neumarks Melodie, die noch unverändert in unserem Gesangbuch enthalten ist, unterstreicht den Text wunderbar. Johann Sebastian Bach hat sie mehrfach vertont und eine Version steht auch in seinem „Orgelbüchlein", einer Sammlung von Choralbearbeitungen. Im Nachfolgenden hören Sie dieses Werk, das ich gestern an der Orgel der Offenbarungskirche aufgenommen habe:

Mathias Brandstätter


Freitag, 24. Juli

Im Traum betritt ein junges Paar einen Laden. Hinter der Theke steht ein Engel. Das Paar schaut sich um und fragt: „Was verkaufen Sie hier?“
Der Engel antwortet freundlich: „Alles, was Sie wollen!“
„Oh“, freut sich das Paar, „dann hätten wir gern ganz viel Zufriedenheit, jeden Tag Freude, Glück und Harmonie für unsere Ehe, dass wir für immer zusammen bleiben und gesund sind, dass wir immer miteinander reden, uns verzeihen und einander vertrauen, dazu noch Weltfrieden, das Ende der Hungersnöte, ein für alle Mal die Bewahrung der Schöpfung…“
„Moment mal“, unterbricht sie da der Engel, „entschuldigen Sie, liebes Paar, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen hier nicht die Früchte, wir verkaufen hier nur den Samen!“
[Quelle unbekannt]

Ab und zu fließt diese Geschichte in eine meiner Trauansprachen ein. Damit will ich Mut machen, in der bevorstehenden Ehe den Samen all dieser Wünsche zu säen, die Pflänzchen dann zu hegen und zu pflegen und darauf zu vertrauen, dass Gott das Seine zum Gedeihen und Frucht bringen dazu gibt.
Was für die Beziehung von zwei Liebenden gilt, gilt auch für andere Beziehungen und Gemeinschaften. Früchte fallen nicht vom Himmel. Es kommt auf uns als gute Gärtner*innen an. Aber eben auch wieder nicht aus uns selbst heraus, wie uns Paulus im Brief an die Gemeinde in Philippi nahelegt:
„Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.“ Philipper 2, 13

Verena Übler


Donnerstag, 23. Juli

Staunen

Herr, du erforschest mich und kennest mich.

Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
du verstehst meine Gedanken von ferne. 

Ich gehe oder liege, so bist du um mich
und siehst alle meine Wege.

Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,
das du, Herr, nicht schon wüsstest. 

Von allen Seiten umgibst du mich
und hältst deine Hand über mir. 

Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch,
ich kann sie nicht begreifen. 

Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,
und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? 

Führe ich gen Himmel, so bist du da;
bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.

Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer, 
so würde auch dort deine Hand mich führen
und deine Rechte mich halten.

Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.

Aber wie schwer sind für mich,
Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß! 

Wollte ich sie zählen,
so wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei dir.

(Psalm 139, in Auswahl)

Felix Breitling


Mittwoch, 22. Juli

Dir, HERR, will ich von ganzem Herzen danken, von all deinen wunderbaren Taten will ich erzählen. Ich freue mich über dich und juble dir zu. Ich singe zu deiner Ehre und preise deinen Namen, du höchster Gott!

Diese beiden Verse aus Psalm 9 bewegen mich immer wieder, wenn ich sie lese oder spreche. Sie lassen mich lächeln, mich freuen. Über das Leben, mein Leben, mein Gott geschenktes Leben. Über Gott. Wie gut Gott es doch mit mir meint – in all den Sorgen und Nöten des Alltags. Gerade wenn ich am Verzweifeln bin über Vorschriften, schief gegangene Kommunikation, nicht eingehaltene Absprachen, Misslungenes, Menschliches, und und und, dann erinnere ich mich gerne an die Worte des Psalmbeters.  Dem Psalmbeter ist Gutes widerfahren, er hat Gott als für ihn Streitenden erleben dürfen. Seine Hoffnung gilt seinem Gott – über den Tod und das menschliche Leben hinaus. Und das singt er voller Freude, sodass es jede*r hören kann. Ich stimme gerne mit ein:

Dir, HERR, will ich von ganzem Herzen danken, von all deinen wunderbaren Taten will ich erzählen. Ich freue mich über dich und juble dir zu. Ich singe zu deiner Ehre und preise deinen Namen, du höchster Gott!

Carolin Lochner


Dienstag, 21. Juli

Gesegnet wie ein Baum

Am letzten Sonntag war ich zu Gast bei einer Konfirmation im Verwandtenkreis in der Fränkischen Schweiz. Die Kollegin ist in ihrer Predigt auf das Thema Segen eingegangen. Dazu hat sie zwei Verse aus dem Jeremia-Buch zitiert: „Gesegnet sind alle, die sich auf Gott verlassen und deren Zuversicht Gott ist. Die sind wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hin streckt. Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün; und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.“ [Jeremia 17, 7-8]
Ein tolles Bild, mit dem wohl jede*r etwas anfangen kann. Bäume brauchen Wasser und Licht zum Wachsen, Gedeihen und Frucht bringen. Wie gut, wenn sie deshalb in der Nähe eines Wasserlaufs stehen. Ein heißes, dürres Jahr kann ihnen dann nichts anhaben. Sie sind gesegnet.
Und wir Menschen? Was brauchen wir zum Leben? 

Auch wir brauchen Wasser und zwar nicht nur im wörtlichen Sinn. Wir brauchen das Wasser des Lebens, das ein Bild für Gott ist. So heißt es im Psalm 36, 10:  „Bei dir, Gott, ist die Quelle des Lebens.“ 

Diese Quelle, dieses Wasser brauchen wir Menschen zum Wachsen, Gedeihen und Frucht bringen. Wenn wir uns in die Nähe dieses Wassers pflanzen oder dahin gepflanzt werden durch unsere Eltern, Pat*innen und andere Menschen, dann werden wir für alles im Leben genug Kraft haben. Dann können wir Stürmen standhalten und dürre Zeiten aushalten. Dann sind wir gesegnet. 
Der Baum holt sich mit den Wurzeln das Wasser, er tankt auf. Auch wir Menschen müssen immer wieder auftanken, müssen uns Kraft holen und von der Quelle des Lebens trinken. Das kann durch Beten geschehen, durch Singen, durch Gottesdienstfeiern, Meditieren, Spazierengehen, Bibellesen, mit anderen über die Erfahrungen mit Gott reden, in der leeren Kirche sitzen und Zwiesprache mit Gott halten undundund…

Mit besonderen Worten wurden dann die Konfirmand*innen in diesen Segen hineingenommen:

„Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist gebe dir seine Gnade,
bewahre dich vor allem Bösen
und stärke dich zu allem Guten.
Er schenke dir Glaube, Hoffnung und Liebe.
Er führe dich zum ewigen Leben.
Amen“

Verena Übler


Montag, 20. Juli

Atme auf und Kopf hoch

Zwei Bücher sind mir vor ein paar Jahren in die Hände gefallen. Das eine heißt „Atme auf. 77 Übungen für Körper und Seele.“ Das andere heißt: „Kopf hoch. Das kleine Überlebensbuch. Soforthilfe bei Stress, Ärger und anderen Durchhängern.“

Beide Bücher sind eine Fundgrube an Körperübungen.

Ich kann nicht mit allen Übungen aus diesen Büchern etwas anfangen, aber beide Bücher haben mir wichtige Impulse gegeben. Ich bin im Alltag auf meinen Körper aufmerksamer geworden. Auf Verspannungen. Wie ich stehe. Auf meinen Atem.

Jetzt merke ich schneller: Stopp. So möchte ich gerade nicht weitermachen. Ein kurzes Innehalten, eine kurze Pause reichen schon. Um bewusst eine Runde zu gehen. Um mich zu lockern und Verspannungen zu lösen. Um mich mit beiden Füßen hinzustellen und den Boden unter mir zu spüren. Um mich zu strecken und zu dehnen. Um einmal kräftig zu gähnen und bewusst zu atmen.

Felix Breitling


Samstag, 18. Juli

Sonnenaufgang

Jetzt im Sommer muss man ja ziemlich früh dran sein, um die Sonne aufgehen zu sehen. Aber es lohnt sich -  vor allem an einem schönen Ort draußen in der Natur.

Vor einigen Tagen bin ich ganz zeitig zu einem kleinen Waldsee südlich von München gefahren, um dort den Sonnenaufgang zu erleben. Bei der Ankunft in der Dämmerung lag See noch dunkel da, alle Pflanzen waren dick mit Tau bedeckt. Aber ein vielstimmiges Vogelkonzert begrüßte mich schon von weitem. Ohne die Verkehrsgeräusche klang es um ein Vielfaches kräftiger als hier in München. Ja, ich hatte den Eindruck, die ganze Vogelwelt freute sich bereits auf den Aufgang der Sonne.

Und als dann die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume schienen und die Wasseroberfläche berührten, fing der See an zu dampfen, die Tautropfen glitzerten in allen Farben und man konnte den frischen Morgen förmlich greifen. Ein wunderbares Erlebnis für alle Sinne, das mich noch den ganzen Tag begleitete. 

See am Morgen
Bildrechte Mathias Brandstätter

Dazu passt sehr schön das Morgenlied, das Johannes Zwick Anfang des 16. Jahrhunderts verfasst hat und in unserem Gesangbuch unter der Nr. 440 steht:

All Morgen ist ganz frisch und neu
des Herren Gnad und große Treu;
sie hat kein End den langen Tag,
drauf jeder sich verlassen mag.

O Gott, du schöner Morgenstern,
gib uns, was wir von dir begehrn:
Zünd deine Lichter in uns an,
laß uns an Gnad kein Mangel han.

Treib aus, o Licht, all Finsternis,
behüt uns, Herr, vor Ärgernis,
vor Blindheit und vor aller Schand
und reich uns Tag und Nacht dein Hand,

zu wandeln als am lichten Tag,
damit, was immer sich zutrag,
wir stehn im Glauben bis ans End
und bleiben von dir ungetrennt.

Mathias Brandstätter


Freitag, 17. Juli

Loslassen

Gedanken, Worte, Gefühle, Taten begleiten uns. Wir bewegen sie im Herzen. Manchmal liegen sie darin wie schwere Steine, die uns belasten. Besonders die großen Brocken sind schwer loszulassen. Es ist, als ob sie es uns schwer machen wollen. Und diese Schwere lähmt.

Es scheint unmöglich, sich dagegen zu wehren. Die Schwere ist überall. Dann kostet es große Überwindung und Anstrengung, sich damit auseinanderzusetzen. Sich nicht einnehmen zu lassen. Und nur noch den Brocken zu spüren.

Dazu muss ich einen Schritt zurücktreten. Erst dann kann ich diesem Brocken begegnen. Erst dann ist er ein Gegenüber, das ich mir zum Beispiel auf der ausgestreckten Hand oder mit beiden Händen haltend vorstellen kann . Vielleicht drückt er meine Hand nach unten, aber ich spüre vielleicht auch, dass ich dagegen arbeiten kann. Dass ich etwas tun kann. Vielleicht kann ich ihn auch auf dem Boden ablegen. Behutsam, damit kein Schaden entsteht. Und vielleicht kann ich ihn dort gut liegen lassen, mich umdrehen und weg gehen. Ich könnte jederzeit zurückgehen, aber ich kann ihn auch loslassen.

Herr, schenke mir Mut und Kraft, loszulassen. Amen.

Carolin Lochner


Donnerstag, 16. Juli

Wie die Vögel ihre Farben bekamen

Als die Sonne erschaffen war, begann sie ihre Strahlen auszusenden und das Wasser, die Berge, die Blumen und Bäume, die Tiere und Menschen zu wärmen. Mit ihren Strahlen gab sie allen ihre farbigen Kleider. Das Gras wurde grün, der Tau am Morgen glänzte wie kleine Kristalle, die Wolken zogen wie weiße Schäfchen am Himmel vorüber. Sogar die wilden Raubtiere konnten mit ihrem schönen Pelz prahlen, den sie eigentlich gar nicht verdient hatten.

Nur die Vögel hatte die Sonne vergessen. Sie hatten alle nur ein braunes Gefieder und konnten sich deswegen auch nicht so recht freuen. 
Schließlich beriefen die Vögel eine große Versammlung ein und beschlossen zur Sonne zu fliegen. Sofort begannen sie mit den Reisevorbereitungen: Reisevorrat wurde beschafft, das nötige Wasser und Körner. Dann ging es los.

An der Spitze flog der Adler mit weiteren starken und kräftigen Vögeln. Sie gaben die Orientierung. Drei Vögel aber blieben zu Hause: die Drossel, weil sie ihr Nest noch nicht fertig hatte, die Nachtigall, weil sie ihre schlichte braune Farbe nicht störte und sie sich lieber ihre Zeit mit ihrem herrlichen Gesang vertrieb, und der allerkleinste der Vögel, der Kolibri, der Angst hatte, die Reise mit seinen winzig kleinen Flügeln nicht zu überstehen.
Alle anderen Vögel zogen los, über die Kronen der Bäume, die Gipfel der Berge. Anfangs waren die Strahlen der Sonne wohltuend, doch bald brannten sie fast unerträglich. Doch die Sonne bemerkte das Klagen der Vögel in der Hitze und hatte Erbarmen. Wolken, Nebel und Wind rief sie herbei, um Abkühlung zu schaffen. Und endlich fiel auch erfrischender Regen. Da wartete die Sonne nicht lange und warf ihre Strahlen in den Regen hinein. Und über dem Vogelschwarm zeigte sich ein Regenbogen mit all seiner Farbenpracht.
Die Vögel jubelten: 'Seht, seht, die Sonne hat uns erhört!' Sie flogen nacheinander in den Regenbogen und nahmen in seinen Farben ein Bad. War das eine Freude! Jeder Vogel suchte sich die schönste Farbe für sich aus und probierte sie auch gleich an. Die Kardinäle badeten sich in der roten Farbe, die Flamingos in der rosaroten, die Wellensittiche in der grünen und blauen. Die Papageien haben heute noch alle möglichen Farben, weil sie auf dem ganzen Regenbogen herumtollten. Das Rotkehlchen war bescheiden und benetzte nur seine Brust mit einem roten Tupfer.

Als dann endlich alle Vögel ihre Farbe hatten, dankten sie der Sonne mit ihrem wunderschönen Gesang, der sich am ganzen Himmel ausbreitete. Danach flogen die Vögel wieder heimwärts. Seit dieser Zeit singen die Vögel der Sonne zu Ehren und zum Dank jeden Morgen ihre herrlichen Lieder.

Aber vergessen wir den kleinen Kolibri nicht. Sie wissen sicher, dass auch er ein farbiges Gefieder hat. Aber warum? Er ist doch zu Hause geblieben. Nun, das war so: Die Tropfen des Regenbogens füllten auch die kleinen Blütenkelche, aus denen der kleine Kolibri mit seinem Schnäbelchen den süßen Nektar pickte. Und als er sich zu einem Blütenkelch begab, da spritzten einige Tropfen des Regenbogens auf sein Gefieder. Diese Farben sind ihm bis heute geblieben.

[Quelle unbekannt]

Verena Übler


Mittwoch, 15. Juli

Kirche - ein paar Gedanken

Kirche bedeutet für mich, gemeinsam auf dem Weg zu sein, gemeinsam auf der Suche nach Gott. Diese Suche hat mich gepackt und packt mich immer noch. „Gemeinde als Herberge“ heißt ein Buch, das bei mir im Regal steht. So wünsche ich mir Gemeinde: Als einen Ort auf dem Weg, wo wir Rast machen, anderen begegnen, Leben teilen. Und die Gastgeber sind nicht Pfarrerin oder Pfarrer, Diakoninnen oder Diakone, Einzelne oder Gruppen aus der Gemeinde. Wir sind alle Eingeladene und wir sind willkommen. Das weiterzugeben ist mir wichtig.

Ich mag den Gottesdienst sehr und dennoch gibt es noch ganz viele andere Orte, an denen wir gemeinsam Kirche sind – die Chöre in der Gemeinde, der Seniorenkreis, die Eltern-Kind-Gruppe, das Umweltteam, das Sitzen in der Stille, die Treffen der Jugendlichen und vieles mehr. Oft vergessen wir auch kirchliche Orte wie die Bahnhofsmission, die Stadtakademien, die Diakonie, die Krankenhausseelsorge und andere – so unterschiedlich ist Kirche.

Wichtig ist mir, Kirche mitten in der Welt zu sein. Gott ist Mensch geworden, mitten in dieser Welt. Deswegen ist Kirche für mich keine Sonderwelt und durchaus auch politisch. Mein Glaube und die Welt haben für mich immer etwas miteinander zu tun.

Mir ist wichtig, dass der Glaube nicht innerlich bleibt. Ihr seid das „Salz der Erde und Licht der Welt“ heißt es im Matthäusevangelium und das geschieht oft bei den einfachen Dingen mitten im Alltag.

Kirche erfahre ich auch als Gemeinschaft, in der wir miteinander und voneinander lernen, in der wir Lebenserfahrung miteinander teilen. Kirche ist für mich eine Gemeinschaft, in der sich Generationen begegnen, Menschen aus unterschiedlichen Ländern und ich wünsche mir, dass Alter, Pass, Leistung hier keine Rolle spielen. Denn über allem steht das große Ja Gottes zu uns Menschen. Kirche ist für mich eine Gemeinschaft, in der wir uns stärken und trösten. Immer mehr merke ich, dass ich mir mehr Stille wünsche in der Kirche. Ich merke, wie wichtig mir das Hören ist, auf Gott, aufeinander.

Meine Gedanken beruhen keinesfalls auf Vollständigkeit. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir zu diesem Thema unsere Gedanken austauschen.

Wir gemeinsam sind Kirche.

Felix Breitling


Dienstag, 14. Juli

Schwerkraft

Heute ein Gedanke zum Tag von der Bahnhofskirche Zürich. Ein Weg-Wort zum Dienstag.

https://www.bahnhofkirche.ch/2020/07/06/schwerkraft/

Carolin Lochner


Montag, 13. Juli

In der Nordkirche gibt es seit zweieinhalb Jahren ein Musikprojekt: Das Monatslied.
(www.monatslied.de) Ich habe für den Start in die Woche das Mutmachlied vom April 2019 ausgesucht: Du glättest die Wogen. Es ist ein Lied inspiriert vom Psalm 23.
Die Hamburger Musikerin Miriam Buthmann hat es getextet und komponiert. Ich habe sie mit ihrer Band beim Kirchentag in Berlin live erlebt und war total begeistert.

Du glättest die Wogen 

Monatslied April 2019

Du bist mein Lotse, mein Leuchtturm in der Nacht. Dein Licht weist mir den Weg in schweren Zeiten. Du bist mein Kompass, mein Steuer und Radar.
Du hältst mich sanft auf Kurs, willst mich begleiten. 

Du glättest die Wogen und alles wird leise.
Du glättest die Wogen auf meiner Reise.
Du nimmst mir die Angst und schenkst mir das Leben, hast alles gegeben, im Großen und ganz. 

Der Sturm wird stärker, die Wellen schlagen schwer. Du trägst mich selbst durch diese rauen Tage.
Du bist der Anker, der mich am Boden hält.
Du schärfst den Blick in aussichtsloser Lage. 

Du glättest die Wogen und alles wird leise.
Du glättest die Wogen auf meiner Reise.
Du nimmst mir die Angst und schenkst mir das Leben, hast alles gegeben, im Großen und ganz. 

Du flickst mein Segel mit Liebe und Geduld. Du tröstest mich und lässt mich sicher schlafen. Und ganz am Ende, wenn jeder Ton verklingt, dann kehre ich zurück in deinen Hafen. 

Du glättest die Wogen und alles wird leise.
Du glättest die Wogen auf meiner Reise.
Du nimmst mir die Angst und schenkst mir das Leben, hast alles gegeben, im Großen und ganz. 

 

Verena Übler


Sonntag, 12. Juli

Predigt siehe "Predigten zum Nachhören"


Samstag, 11. Juli

Zeitreisen

Kloster Plankstetten
Bildrechte Mathias Brandstätter

Reisen sind in Zeiten der  Corona-Pandemie schwierig bis unmöglich geworden, vor allem wenn es um Reisen in ferne Länder geht. Eine Alternative dazu ist eine andere Art von Reisen, eine Reise zurück in die Vergangenheit,

Ich schreibe diese Zeilen während eines Aufenthalts im Kloster Plankstetten, einer Benediktinerabtei in der Nähe des Altmühltals, die vor fast 900 Jahren gegründet wurde.
Sicher, in dieser langen Zeit hat sich auch hier einiges verändert. Aber das mit einer Mauer umfasste Klosterareal liegt immer noch an der gleichen Stelle. Und wenn man sich dem Ort nähert, dann tauchen irgendwann die beiden Türme der Klosterkirche hinter den Bäumen auf. Da ist der Unterschied gar nicht so groß, ob man nun heute mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs ist oder wie früher zu Fuß.

Ich stelle mir vor, wieviele Menschen schon vor mir durch die Eingangstür in den Kirchenraum eingetreten sind, was sie wohl erlebt und gefühlt haben, und sie sind mir plötzlich gar nicht mehr so fern. 

Wie oft erscheint uns ein Monat oder ein Jahr schier unendlich lange. Aber wie klein wirkt das alles gegenüber 900 Jahren, in denen das Kloster hier unverändert steht. Und was wird von dem, was uns heute beschäftigt und was wir heute erbauen, wohl noch in 900 Jahren existieren und eine Bedeutung haben?

Ich denke, es tut uns gut, wenn wir uns ab und zu eine kleine Pause vom Alltag des 21. Jahrhunderts gönnen und bei einer Reise in die Vergangenheit auch darüber nachdenken, was in unserem Leben wirklich wichtig ist.

Orte wie dieses Kloster oder Kirchen sind dafür ideale Reiseziele - und vor allem leicht erreichbar.

Mathias Brandstätter


Freitag, 10. Juli

„Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein
Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein
Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind's noch nicht, wir werden's aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen,
es ist aber im Gang und im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Es glüht und glänzt noch nicht alles,
es reinigt sich aber alles.“

Ich mag diese Worte von Martin Luther. Ich bin nicht fertig. Ich bin im Werden.
Ich bin nicht am Ziel und schon gar nicht am Ende. Ich kann mich verändern und entwickeln – selbst im hohen Alter. Ich bin auf dem Weg. Gemeinsam sind wir auf dem Weg. Aus der Liebe Gottes, hin zur Liebe Gottes.

Felix Breitling


Donnerstag, 9. Juli

Text

Ich kommuniziere gerne schriftlich. Für mich gibt es dabei viele Vorteile: Ich kann es noch einmal nachlesen. Ich speichere in meinem Gehirn das Schriftbild. Manchmal mache ich auch erst beim zweiten oder dritten Lesen noch ganz andere Entdeckungen als beim ersten Lesen. Und auch das Schreiben fällt mir leichter als das mündliche Formulieren. Ich bin fokussierter und springe nicht von Gedanke zu Gedanke. Es ist überlegter. Auch ist es viel einfacher, mehreren Menschen ein und dieselbe Nachricht zu senden. Gedanken und Gespräche werden zusammengefasst.

Möglicherweise als Grundlage für ein weiteres Gespräch oder eine weitere Diskussion, für Gremienarbeit. Eine Notwendigkeit für gemeinsame Arbeit. Derjenige,  welcher für das Schaffen der gemeinsamen Grundlage zuständig ist, trägt eine große Verantwortung. Nur wenn alle über das Gleiche reden,  ist eine konstruktive Weiterentwicklung möglich.

So verstehe ich auch Bibelgespräche, mündlich oder gerne auch schriftlich. Assoziationen zum Bibeltext, Fragen dazu, ein Schreibgespräch. In den Dialog kommen über die oder sogar mit den Geschichten, Liedern, Bildern und Texten der Bibel. Meine allererste Bibel war mit der Zeit ganz bunt. Jetzt liegt gerne ein Blatt nebenan. Die Gute Nachricht mit dem heutigen Leben anreichern, kritische Fragen aus der Welt und für die Welt. Den Text zum Anlass nehmen, über Gott, über mich und andere und über unsere Gemeinde nachzudenken.

Vielleicht mit der heutigen Losung?

Der Herr ist deine Zuversicht. Psalm 91,9

Weil wir nun solche Hoffnung haben, sind wir voller Freimut. 2. Kor. 3,12

Carolin Lochner


Mittwoch, 8. Juli

Heimat.

„…Ich denke ja nicht, dass Heimat ein physischer Ort ist, in den man einfach zurückfahren kann. Die Vorstellung von einer Heimat hat mehr mit einer Sehnsucht zu tun, nach etwas, das es nicht mehr gibt. Vielleicht sogar mit etwas, das es nie gegeben hat. Das Land mit Heimat zu verwechseln, ist ja eine Illusion der Städter: Zu denken, dass dort, wo man selbst lebt, alles weitergeht, aber irgendwo auf der Welt ist ein Ort, der immer derselbe bleibt.“ 
So überlegt Arnold Stadler in einem Interview mit Heike Faller in DIE ZEIT aus dem Jahr 2000. 
Es passt gut zu einem Gespräch, das ich mit meiner Schwester hatte, die seit über 30 Jahren in Rom verheiratet ist. Sie meinte, wer einmal für immer weggegangen ist, kann nicht wieder zurückkehren. Für ihn oder sie ist die Heimat nämlich so geblieben, wie sie war, als man weggegangen ist. In Wirklichkeit hat sie sich aber natürlich verändert und ist nicht mehr so wie damals. Die Heimat, die man kennt und die man zurückkehren wollte, gibt es also nur in der Erinnerung. Und in die kann man nicht zurückkehren, jedenfalls nicht physisch.
Auch in der Bibel hat Heimat viel mit Sehnsucht zu tun. Sehnsucht nach dem Land, in dem Milch und Honig fließen, beispielsweise. Oder Sehnsucht nach der Rückkehr ins Paradies.
Diese Sehnsucht bringt der Evangelist Johannes so auf den Punkt: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ lässt er Jesus sagen (Johannes 14, 2). 
Es ist ein Haus, das hier und jetzt mitten unter uns ist und das bis zur Schöpfung einer neuen Welt reicht, die wir nur erahnen können.

Verena Übler


Dienstag, 7. Juli

Langsam

„Wenn es schnell gehen soll, mach langsam!" Diesen paradoxen Satz habe ich einmal im Gespräch von einem Feuerwehrmann gehört.

Gerade in stressigen Zeiten und Situationen rufe ich mir diesen Satz ins Gedächtnis. Ich setze mich erstmal hin, sortiere meine Gedanken, gehe vielleicht kurz spazieren, sammle Kraft und fange dann an. Das bringt dann viel mehr, als überstürzt anzufangen, eher kopflos als konzentriert, dann passiert noch ein blöder Fehler und was schnell gehen sollte, braucht letzten Endes viel mehr Zeit.
Wenn Menschen viel zu tun haben, wenn es schnell gehen muss, neigen sie oft zu Aktionismus und überfordern sich selbst und andere. Zufrieden ist dann am Schluss meistens keiner. Also: Stopp. Innehalten …

Mir fällt da noch ein Ausspruch Martin Luthers ein: „Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ Zeit zum Beten, gerade, wenn ich viel zu tun habe?

Ja, gerade dann. Es hängt nicht alles von uns ab.

…. Und dann: Anfangen.

Felix Breitling


Montag, 6. Juli

Sommer draußen

Nach den Regentagen in der vergangenen Woche verspricht die neue Woche zumindest zur Mitte hin schönes Wetter.

Die Lust auf den Biergarten wächst. Mit Abstand und Maske auf dem Weg, versteht sich. Wenn ich mich so umsehe, dann stelle ich fest: Der Abstand tut mir gut. Es ist luftiger, am Tisch ungestörter. Pflanzen kommen mehr zur Geltung. Hier kann ich zur Ruhe kommen und das Essen und das Trinken genießen. Mir kommt der Gedanke: Schön, wenn es immer so wäre…

Den Nachbarn begegnen im Hof. In den letzten Monaten eine Häufigkeit. Man plaudert. Es wird vertrauter. Auch mal von Balkon zu Balkon. Die Stadt verliert im eigenen Viertel an Anonymität, die gleichen Menschen treffen sich immer wieder. Man begegnet sich mit Respekt und Interesse.  Die Möglichkeiten in der großen Stadt sind begrenzter, im Viertel erweitern sie sich.

Draußen sein ist gut. Ein Picknick im Park, im Tierpark unterwegs, auf dem Spielplatz, Beachtennis. Mit Freunden auf dem Balkon, der Terrasse, es fühlt sich gut an. Es gibt viel Neues zu probieren, Gewohntes über Bord zu werfen, ohne es gleich immer so machen zu müssen. Ich fühle mich gut dabei. Und wenn ein paar Regentropfen kommen, was soll´s?

Sommer draußen -  ein Geschenk für uns.

Carolin Lochner


Sonntag, 5. Juli

Predigt siehe "Predigten zum Nachhören"


Samstag, 4. Juli

Tragfähig

Ein Weg-Wort zum Samstag aus der Bahnhofskirche in Zürich:

https://www.bahnhofkirche.ch/2020/06/23/tragfaehig/

Carolin Lochner


Freitag, 3. Juli

Carpe diem

Halt! Nicht gleich weiterklicken. Ja, der Spruch ist vielleicht etwas überstrapaziert. Ich habe eine Art Übersetzung entdeckt, die mir seinen Sinn noch einmal mit einem anderen Dreh nahe gebracht hat. Und zwar mit einem Gedicht von Joachim Ringelnatz:

Sommerfrische

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.

Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiß nicht. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen, als einen Grashüpferhupf.

Carpe diem – durchschnaufen und nicht weiter denken als einen Grashüpferhupf. 
Gerade, wenn wir so wenig wissen, so wenig planen können, so wenig fest steht, ist das vielleicht die richtige Strategie. Üben wir uns im Grashüpferhupfen!

Verena Übler


Donnerstag, 2. Juli

Der jüdische Philosoph Martin Buber hat eine Geschichte überliefert, die mir wichtig geworden ist: Rabbi Bunam sagte zu seinen Schülern: Jeder Mensch soll in seiner Jacke zwei Taschen haben und abwechselnd je nach Bedarf in die eine Tasche oder in die andere greifen. In der einen liegt ein Zettel mit den Worten „Das Universum ist um deinetwillen geschaffen worden“, in der anderen ein Zettel mit den Worten „Du bist Staub und Asche“.

Mir scheint, Rabbi Bunam hat die Menschen gut gekannt. Er hat gewusst, dass wir Menschen gefährdet sind, in maßloser Selbstüberschätzung die Bodenhaftung zu verlieren. Gefährdet, selbstverliebt, um uns selbst zu kreisen. Dass wir Menschen dazu neigen, uns über andere zu überheben und auf andere herabzuschauen. Dann ist der Zettel „Du bist Staub und Asche“ heilsam, um uns wieder auf die Erde zurückzuholen.

Er wusste aber auch um die andere Seite: Dass wir Menschen dazu neigen, uns klein zu machen, uns nichts zuzutrauen, unser Licht unter den Scheffel zu stellen oder in tiefe Niedergeschlagenheit zu geraten. Dann ist es an der Zeit, den Zettel aus der anderen Tasche zu nehmen: „Das Universum ist um deinetwillen geschaffen worden“.

Schon die Bibel zeigt uns diese Spannung, in der wir leben: Gott spricht zu Adam: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“. Das hebräische Wort „Adam“ bedeutet übersetzt Mensch und Erde heißt im Hebräischen „adamah“. Adam, aus Erde geformt, erinnert uns an unsere Erdung, und daran, wohin wir letztlich zurückkehren.

Auf der anderen Seite wird in Psalm 8 über den Menschen gesagt: „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.“ Dem Menschen wird höchste Würde zugesprochen, er hat die Möglichkeit zu gestalten und die Erde zu verwalten. Dazwischen müssen wir uns verorten.

Die Frage, wo wir stehen und wer wir sind auf der Welt, in unseren Beziehungen zu anderen und in der Beziehung zu uns selbst, beschäftigt uns ein Leben lang. Ich glaube, eine Antwort auf diese Frage finden wir nur in der Begegnung mit anderen. Wenn andere uns wirklich begegnen, ist das nicht unbedingt angenehm, weil wir hinterfragt werden und auch Kritik aushalten müssen. Manchmal brauchen wir jemanden, der uns eine neue Sichtweise eröffnet, um wieder klarer zu sehen. Oder jemanden, der uns korrigiert, wenn wir einen falschen Kurs eingeschlagen haben. In der Begegnung mit anderen können wir lernen, wann es an der Zeit ist, einen der beiden Zettel in den Taschen zu lesen. Dann ist es gut, jemanden zu haben, der uns auf den Boden zurückbringt und erdet oder aufbaut und Mut macht.

Felix Breitling


Mittwoch, 1. Juli

(Un-)Gewissheiten

Normalbetrieb ab Herbst –
eine große Hoffnung, aber auch ein erstrebenswertes Ziel?

Maskentragen in der Ubahn –
Eine Einschränkung der Freiheit, aber auch ein Akt der Rücksicht?

Arbeiten wie vor Corona –
ein Gefühl von Sicherheit, aber auch ein Rückschritt?

Schneller, besser, weiter –
Hauptsache vorwärts, aber auch eine Beschränkung meiner Freiheit?

Schnelles (Wieder)Hochfahren des Lebens –
mutig Investieren in Neues, aber auch ein Verdrängen?

Glaube –
Raum für Gotteserkenntnis, aber auch für Zweifel?

Abstand –
Ein Freiraum für mich, aber auch ein Ausgegrenztsein?

Ungewissheiten –
Raum für Hoffnung, aber auch eine Last?

Carolin Lochner